Hochstein/Lienz – 205km fl. Dreieck
Nachdem der Mai wetter- und beruflich-bedingt praktisch nix an nutzbarem Flugwetter hergab, waren für das Wochenende 5. & 6. Juni endlich wieder gute Flugbedingungen vorhergesagt. Obwohl die komplette FSV-XC-Fraktion sich dafür nicht begeistern konnte, hatte ich Glück bei den Gleitschirm-Newcomern aus dem Ennstal. So fuhren Werner Luidolt, Wolfgang „Jagi“ Jagersberger und ich gegen 5:00 Uhr von zu Hause los, um dem Hochstein das erste mal heuer die Ehre zu erweisen – und wie er es uns danken sollte…
Hochstein
- Land Region: Osttirol, Lienz
- Startplatzhöhe: 2060m
- Höhendifferenz: 1300m
Infos unter: paraglidingearth.com, paragliding365.com
zum Downloaden & Nachfliegen:
- Werner (179km flach auf dem 1-2er Nova Oryx(!); 215 Pkt)
- Lex (205 km flaches Dreieck; 246 Pkt)
Die weitesten Flüge vom Hochstein aus: auf XContest
Die Story:
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So eine entspannte Anreise in Osttiroler Gefilde hatte ich noch nie: in grad mal 2:45h war das Reiseziel Lienz ereicht, was 7:45 Uhr local time bedeutete. Beim vereinbarten Treffpunkt am Bahnhof Lienz war bereits der Transaplin-Express und eine namhafte Abordnung der Flying Swans dabei, die Taxis zu boarden.
Zu gut ist noch die herbe Situation vom vorigen Jahr in Erinerung, wo wir um 10:00 Uhr erst am Startplatz eintrafen und die Virgener Jungs bereits im Startbart kurbelten…
Der Espace schluckte noch 2 weitere Fahrgäste und so ging´s zu fünft auf den Hochstein. Oben bot sich uns herrliches Panorama: Die trockene Luft ließ auch in weiter Ferne die Äste jedes Baumwipfels konturscharf zählen und Distanzen verschwindend gering erscheinen. |
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Die Thermik am Startbart war noch schwach pulsierend, als sich die ersten gegen 10:00 in die Luft schwangen und sich teils mehr Richtung Lienzer Talgrund statt Ozonschicht arbeiteten. Gegen 10:15 Uhr schwang ich mich dann ebenfalls in die Luft und hatte Glück einen guten Zyklus zu erwischen. So konnte ich nach ner guten viertel Stunde im Startbart diesen mit 500m Startüberhöhung verlassen.
links: mit dem kurz zuvor gestarteten Smeyky im Startbart.
Im Bild rechts: Die wartende Crowd am Startplatz Hochstein – und der erste Ausblick auf die lang-ersehnten top Bedingungen in Flugrichtung… |
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Das Rennen Richtung Bruneck war eröffnet – nur: welche Route? Ich brauchte so meine Zeit, um ohne flauschig-weiße Anzeichen von Thermik bzw. andere Piloten vor mir eine vielversprechende Linie zu identifizieren – der „Blauthermik-Flugmodus“ musste erst wieder ins RAM geladen werden. Es ging jedoch relativ zuverlässig an der vermuteten Thermik-Ablösepunkten weg und so waren die ersten Kilometer ins Pustertal mit ner Mischung aus Konturenflug und Kurbeln in Vormittags-Bärtchen relativ schnell geschafft.
Hier fällte ich auch die endgültige Kaufentscheidung zugunsten des Boomerang GTO: bei den XX kam ich zwei Mal um nur einige Meter gerade mal über den Grat auf die Sonnenbeschienene Luv-Seite. Mit dem BoomSport hätt ich sicher vorher abdrehen müssen… |
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Dort hatte ich auch meinen ersten 75 %-Klapper/Fast-Komplett-Frontstall mit dem Ding: Schirm weg, leicht asymmetrisch. Geschaut, dass die Flügelenden schön draußen bleiben und halbwegs symmetrisch anfahren lassen. Der „Hechtler“ hatte zwar viel Dynamik, gab mir aber genug Zeit. Nach 1 x stark Durchpendeln war das Thema erledigt und ich machte erst mal das Visier auf, um 3 x tief durchzuatmen. *g* Hier schienen sich die neuen Rigifoils wieder sehr zu bewähren: Die gesamte Eintrittskante war stets weit geöffnet…
Bild links: Querung über das Ahrntal hin zu meinem vermeintlich ersten Wendepunkt
rechts: Die ersten „Südtiroler“, die eine gegensätzliche Route im Kopf hatten |
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@“vermeintlich erster Wendepunkt“: Der eigentliche Plan für den Tag wäre ein 200er-FAI-Versuch zum Alpenhauptkamm hin gewesen – wie auch einige andere vor hatten (wie Michi Pohl so schön meinte: „Neigungsgruppe Felbertauern“). Im Zuge der Startvorbereitungen am Hochstein ließ ich mich jedoch verunsichern, ob die Nord-Komponente für dieses Vorhaben nicht zu stark werden könnte.
Den Wendepunkt bei Gais XXX noch schön ins Tal raus gesetzt, war ich im wahrsten Sinn des Wortes hin und her gerissen zwischen Sterzing/Dolomiten oder der Felbertauern-Runde: Mit niemandem vor mir, niemandem am Funk und „oba scho a bissl Nord“-Eindruck gurkte ich bei Gais XXX noch lange im Bart rum, um mir Klarheit über das N-Wind-Risiko zu machen. So brauchte ich nochmal rund eine viertel Stunde, bis ich beschloss, mich dem Ritt zum Felbertauern nicht zu stellen und die Gerade Richtung Sterzing zu nehmen.
Der gesamte Vorteil vom frühen Verlassen des Startberges war somit glorreich verspielt! :-(( |
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Inzwischen waren die ausbeutbaren Arbeitshöhen auf über 4000m angestiegen. Bei Blauthermik und den beschriebenen trockenen Luftmassen nördlich des Pustertals ging´s ohne Nennenswerte Baustellen und leichtem Gegenwind zügig Richtung Sterzing. Lediglich über den Dolos herrschte etwas feuchtere Luft und so waren die Thermiken dort durch strukturierte 2/8-Cumuli schön gekennzeichnet.
Mittlerweile war es 14:30 Uhr geworden und mein GPS zeigte 91km Entfernung Luftlinie vom Hochstein an. Für mich war klar, dass ich mir vor Sterzing noch einen Bart schnappen, wenden und somit auf ein flaches Dreieck gehen werde. Etwas weiter südlich von mir sah ich Smeyky nochmal richtig Höhe machen und die breite Querung über Sterzing hinweg versuchen.WOW… |
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Der in der Höhe herrschende W-Wind machte sich auf dem Heimweg sympathisch bemerkbar und so reichte es nur die besten Bärte zu nehmen. Am Retourweg traf ich auch auf Franz Altmann (Bild links) und – man staune: WERNER!!! (Bild rechts) Er hatte es bis zu diesem Zeitpunkt mit seinem Bergsteiger-Equipment bis nach XXX geschafft.
Nach gemeinsamem Bart entschloss er sich für die etwas nördlichere Linie in Grat-Nähe und ich mich für die etwas südl. vorgelagerte… |
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Die bekannten Ablösepunkte zogen in der Nachmittagssonne richtig schön weg und der gesamte Rückflug-Schenkel war sowohl fliegerisch als auch vom Panorama her eine einzige Wonne. Obwohl nicht wirklich notwendig wollte ich einmal einen Bart wirklich ausdrehen und kam ich gegen 16:00 Uhr bis auf 4468m hoch. Echt unglaublich, speziell bei dem Wetter liegt dir mit der Höhe erst recht die gesamte Welt zu Füßen (Bild rechts) – sogar hier in den hohen Bergen Südtriols… |
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Es machte einfach riesen Spaß der Kilometer-Anzeige beim Countdown Richtung Hochstein zuzusehen und zu wissen, dass es für Faktor 1.2 im XContest reichen wird. Ab 17:00 Uhr waren – zumindest meine – Bärte dann nicht mehr stark, dafür aber hochreichend…
Immer wieder ein fantastisches Gefühl, wenn man am Ende eines ausgiebigen Flugtags realisiert, dass der Startberg in den Gleitwinkelbereich rückt und man das Dreieck auch sauber zumachen kann. |
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Allein und verlassen stand der Espace noch auf dem Parkplatz am Hochstein (Bild links) und der WNW-Wind schob Heli Glasenhart und mich schön entlang des Grats. GESCHAFFT! Doch da war doch noch was…
…der Felsabbruch des XX bei Lienz sah extrem einladend aus – thermisch zumindest.. Wissend, dass der Talwind in Lienz abends stark aus östl. Richtung weht, bedeutete dies aber auch eine potentielle Lee-Situation. Diese galt es vorsichtig in der Praxis hinsichtlich ihrer Ausprägung zu inspizieren: Ich konnte zuerst soarend, dann kreisend den Turbulenz-kritischen Gratbereich durchschießen. Was folgte war ein Endorphin-Hoch sondergleichen: Der Bart wurde nach oben hin extrem sanft und nachdem ich um 18:00 Uhr XX keine weitere Thermikquelle in sicherer Reichweite ausmachen konnte, kurbelte ich diesen Bart bis zum Maximum aus (geiles Bild rechts mit Blick runter nach Lienz). Dieser brachte mich nochmals auf knapp 3000m – erhebend! Ich glitt die Höhe entlang der Lienzer Dolomiten noch bis zum XX aus, wo mir starker Bergfallwind klar machte, dass es Zeit war Richtung Lienz umzukehren.
Dort wollte ich noch den Prallwind zum Aufsoaren zum Parkplatz am Hochstein nutzen, um so die Rückholung der Karre gleich mit zu erledigen. Doch im obersten Drittel gab der starke Talwind keine nutzbare Vertikalkomponente mehr her, sodass ich bei dem 40er-Talwind durch einige „Schlaglöcher“ meinen Weg halbbeschleunigt Richtung Landewiese bei der Wasserstation suchte…
Um 18:45 Uhr sicher gelandet, standen durch den unverhofften Ost-Schlenker am Schluss 205km auf dem Display meines SeeYouMobile zu lesen. Flugdauer: 8:30h – GEWALTIG! |
Alles in allem fantastischer Flug bei ebensolchen Bedingungen – wenn auch nicht perfekt aufgrund der langen Entscheidungsfindung vor Bruneck. Aber wie heißt´s so schön: „There´s always room for improvement!“ *g*
Gratulation auch an Werner und Jagi, die ihre Kisten für das erste Mal wahrlich famos durch die Südtiroler Luft zirkelten!
Lessons Learned:
- I am in love with Hochstein! 😉 -> Früher Start, neue Berg-Hütte, früher Start, super Preis-Leistungs-Verhältnis – und hab ich´s schon erwähnt?: früher Start!
- Mehr auf die eigene Einschätzung auf Basis der eigenen Flugvorbereitung vetrauen und nicht verunsichern lassen
- Entscheidungen müssen binnen weniger Minuten gefällt werden und dann wieder sofort & ohne Zögern umgesetzt – 30 Minuten Hin & Her is 25 Minuten zu lang…
- Much und Smeyky ein Funkgerät sponsern *g*
Hast Du bis hier hin durchgehalten? Dann würde sich mein Gästebuch extreeem über eine kleine Wortspende freuen! *ggg* |
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